Er verknüpft die Expert*innen aus den verschiedenen Abteilungen der Stadtverwaltung miteinander, wenn es um Querschnittsthemen der Mobilität geht, und behält den Überblick in diesem dynamischen Zukunftsbereich. Seine besondere Aufmerksamkeit gilt der Elektromobilität und der Zukunftsenergie Wasserstoff.
Gerwin Conrad, wieso Elektromobilität?
Ich bin bereits seit 2013 durch das Projekt InnovationCity mit diesem Thema vertraut, damals galt Elektromobilität allerdings noch als Zukunftsmusik (lacht). Wir haben uns des Themas dennoch schon recht früh angenommen und Möglichkeiten geschaffen, dass man sich E-Fahrzeuge zum Test leihen konnte. Wir wollten niedrigschwellige Angebote schaffen, damit die Menschen diese Antriebsart einfach ausprobieren konnten. E-Fahrzeuge waren ja sowas wie Ringeltauben vom anderen Planeten … Bei uns konnte man Autos, aber auch Pedelecs und E-Scooter kostenlos testen. Das war ein guter Anfang, um Vorurteile abzubauen, allerdings fehlten die nötigen Strukturen in der Stadt, um die Elektromobilität in den Alltag zu holen. Diese Strukturen zu etablieren, das war mein Wunsch. So bin ich beim Thema geblieben und Mobilitätsmanager für Bottrop geworden.
Inzwischen existieren auch andere alternative Antriebsformen, zum Beispiel Wasserstoff. Welche Vorteile hat die Elektromobilität bis heute?
An den Vorteilen hat sich eigentlich nichts verändert: E-Mobilität - dazu zähle ich auch Fahrzeuge mit Brennstoffzelle - ist nahezu emissionsfrei, verursacht keine Stickoxide, weniger Lärm, weniger Feinstaub. Aus Sicht von Kommunen gibt es also klare Vorteile: Luftverbesserung, Lärmreduktion und damit mehr Lebensqualität – ein starker Standortfaktor. Für Privatpersonen ist es aus verschiedenen Gründen attraktiv, sich ein E-Fahrzeug anzuschaffen. Es ist ökonomisch leistbar, nicht zuletzt auch Dank massiver Förderungen, ökologisch sinnvoll – und im Gegensatz zu Verbrennermotoren eine zukunftsfähige Antriebsart.
Welche Vorurteile gibt es, und wie reagieren Sie auf sie?
Vorurteil eins: zu wenig Reichweite, zu schlechte Ladeinfrastruktur. Meine Antwort: Inzwischen haben die Fahrzeuge häufig eine Reichweite von 300 bis 400 Kilometer, die Modellvielfalt hat ebenfalls zugenommen, und die Infrastruktur wird zunehmend ausgebaut. Ein E-Auto ist meiner Meinung nach nicht für die Langstrecke gedacht, sondern vor allem im städtischen Bereich nutzbar, hier liegen seine Stärken. Doch dann ist es eine gute Alternative für Privatpersonen. Die Infrastruktur und das Angebot werden sich außerdem in der Zukunft entwickeln. Durch den Kauf eines E-Fahrzeugs wächst zudem der Druck auf die Hersteller, weiterhin in die Innovation zu investieren.
Vorurteil zwei: Der ökologische Fußabdruck ist viel größer als behauptet, und wir verfügen in Deutschland nicht über die nötigen Ressourcen, um viele Fahrzeuge zu versorgen. Meine Antwort: Das stimmt so nicht. Bereits jetzt kann jeder, der möchte, sein Autom mit Grünstrom laden. Wir können allein aus erneuerbaren Energeien wie Wind und Sonne genügend Energie gewinnen und auch speichern, das muss aber politisch gewollt sein. Aktuell sind wir da auf einem guten Weg. Die Klimaschutzziele des Bundes werden wir ohne alternative Antriebe nicht erreichen. Allerdings bewegen sie sich nur so sauber, wie der Strom, mit dem sie geladen werden. Für nachhaltige Elektro- und Wasserstoffantriebe brauchen wir die Energiewende – das bedeutet für die Mobilität von morgen die Bereitstellung von grünem Strom und Wasserstoff.
Was brauchen wir, um die Verkehrswende zu realisieren?
Neben politischen Entscheidungen, die notwendig sind, brauchen wir ein Umdenken bei den Bürger*innen. Wenn man ein Thema erst mal angeschoben hat, bekommt es eine Eigendynamik. Deshalb gehen wir in Bottrop sehr konkret auf einzelne Personen oder Unternehmen zu und fragen zunächst nach deren Bedarfen: Wo braucht es Ladepunkte? Welche Technik wird benötigt? Wie können wir bei Anschaffung von E-Fahrzeugen beraten? Denn bei Betrieben und Unternehmen rechnet sich die Anschaffung wirtschaftlich schnell, da sie zumeist innerstädtisch unterwegs sind. Insbesondere Handwerksbetriebe zeigen großes Interesse, was mich freut. Ich informiere über Fördermöglichkeiten. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette erstellen wir Potenzialanalysen. Es geht im Moment darum, die Chancen aufzuzeigen und dann die Zukunft der Mobilität zu gestalten. Sowohl im privaten als auch wirtschaftlichen oder öffentlichen Verkehrssektor.
Was wünschen Sie sich für den öffentlichen Personennahverkehr in der Zukunft?
Für mich ist es wichtig, dass er schnell, komfortabel, pünktlich, nachhaltig und bezahlbar ist. Es kommt mir gar nicht so darauf an, welche Antriebsart genutzt wird, solange sie aus regenerativen Energien kommt. Ich vermute außerdem, dass für den ÖPNV autonomes Fahren relevant werden wird, darin verbirgt sich noch großes Potenzial.
Gerwin Conrad, vielen Dank für das Gespräch!