... und zwar erheblich: Der motorisierte Individualverkehr (MIV) erhält höhere finanzielle Zuwendungen als Bus, Rad- und Fußverkehr zusammen.
Wie kommt das?
Der Autoverkehr verursacht zahlreiche versteckte Kosten. Ob für die Instandhaltung der Straßen oder die Erweiterung von Infrastruktur: Die Gesellschaft subventioniert den MIV an vielen Stellen mit Steuergeldern. Die Folgen für den Klimaschutz, die Luftqualität und damit die eigene Gesundheit trägt die Gemeinschaft ebenfalls. Die genauen Ausgaben ließen sich allerdings bisher kaum exakt beziffern. Das wird sich in Zukunft ändern. Mit einem Berechnungstool, das Faktoren wie finanzielle, gesundheitliche, soziale und ökologische Kosten einbezieht.
Was kostet Mobilität?
Entwickelt hat die Methode Prof. Dr. Carsten Sommer mit seinem Team der Universität Kassel, vier Städte testen sie derzeit. Die Berechnungen belegen: Der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) ist für Kommunen wesentlich günstiger als der MIV, weil er mehr Menschen bei geringerer Umweltbelastung bewegt. Gleiches gilt natürlich für den Rad- und Fußverkehr. „Das Tool bietet Kommunen aussagekräftige Kennwerte, anhand derer sie ihr Verkehrssystem ökonomisch bewerten können“, erklärt Sommer. „Das gab es davor nicht, es wurde immer nur mit Kosten einzelner Maßnahmen argumentiert. Im betriebswirtschaftlichen Vergleich wurde deutlich: Der größte absolute Zuschussbedarf besteht in der Regel im Pkw- und Lkw-Verkehr. Die Kostendeckung ist in beiden Systemen zudem deutlich geringer als im ÖPNV.“ Während der MIV im jährlichen Durchschnitt Steuergelder von 200 Euro pro Person verbraucht, entfallen nur 171 Euro auf den wesentlich umweltschonenderen ÖPNV.
Ein Schub für die Verkehrswende?
Bisher war also meistens gar nicht klar, wie viel uns Steuerzahlende Auto-, Bus- und Fußverkehr kosten. Die Argumente blieben schwammig. Jetzt bekommen die politischen Ziele für Stadtplanung, Klimaschutz oder Gesundheit durch die Berechnung eine neue Basis: „Eine Kommune kann das Tool nutzen, um herauszufinden, wie viel das einzelne Verkehrssystem kostet“, erläutert Sommer. „Wichtig ist hierbei, dass die Kommunen sich nicht mit anderen vergleichen, dafür sind die Gegebenheiten meist zu unterschiedlich. Das Tool dient vor allem zum Vergleich einer zielorientierten Weiterentwicklung der eigenen Kommune.“
Also eine Methode, die die Verkehrswende unterstützt? Sommer nickt. „Raum- und Verkehrssysteme müssen stärker als bisher soziale Teilhabe für alle gewährleisten. Dazu können der ÖPNV, der Rad- und Fußverkehr einen wesentlich größeren Beitrag leisten als der private Pkw. Vielleicht kann das Tool den Ausbau des ÖPNVs und der Radwege beschleunigen, sodass die Menschen aufgrund attraktiver Alternativen öfter aufs Auto verzichten.“
Wie kann die Stadt der Zukunft aussehen?
Mit dem Berechnungstool wird deutlich, dass die Verkehrswende neben sozialen, ökologischen und gesundheitlichen Folgen auch finanzielle Vorteile für Kommunen haben kann. Sommer zeichnet ein Bild der Zukunft: „Ich wünsche mir weniger Autoverkehr; dass die Menschen sich mehr selbst aktiv bewegen, weil es gesund ist und Spaß macht. Vor allem dann, wenn die Infrastruktur und die öffentlichen Räume dazu passen. Meine Stadt der Zukunft hat viel mehr Fläche zum Aufenthalt, zur Kommunikation, zum Spielen für Kinder, ist grüner und ein Ort zum Wohl- und Sicherfühlen. Das gilt auch für die Region und die Dörfer. Wenn Menschen sich draußen bewegen, gibt es eine höhere soziale Sicherheit. Der ÖPNV, eigentlich aber der öffentliche Verkehr insgesamt, ist ein ganz entscheidender, wenn nicht sogar der entscheidende Baustein für die Lösung der verkehrsbedingten Klimaschutzprobleme.“
Prof. Dr. Carsten Sommer ist Leiter des Fachgebiets Verkehrsplanung und Verkehrssysteme am Fachbereich Bauingenieur- und Umweltingenieurwesen der Universität Kassel. In zwei Studien entwickelte er mit seinem Team ein Tool, mit dem Kommunen die Kosten für verschiedene Verkehrssysteme verursachergerecht aufschlüsseln können.
Visionen, Utopien & Ideen
In der Reihe Visionen, Utopien und Ideen entwerfen wir positive Szenarien für die Zukunft nach der Verkehrswende. Dabei gehen wir von Möglichkeiten aus, die mit etwas Mut umsetzbar wären. Damit wir auch in Zukunft mobil bleiben, mehr Lebensqualität genießen und uns gesünder sowie klimaschonender bewegen.