David Herz, wie stellen Sie sich öffentlichen Personennahverkehr der Zukunft vor?
Er macht es überflüssig, ein Auto zu besitzen. Er fährt so häufig, dass ich – ohne zu wissen, wann der nächste Bus oder die nächste Bahn kommt – an die nächste Haltestelle gehen und schnell sowie bequem mein Ziel erreichen kann. Ihn zu nutzen ist einfach und unkompliziert. Ich muss dafür weder Fahrpläne studieren, noch komplizierte Tarifstrukturen verstehen oder einen Ticketautomaten bedienen.
Was würde unserer Gesellschaft ohne ÖPNV fehlen?
Gut geplant verhilft er uns zu mehr Platz in den Städten. Den brauchen wir, um sie menschenfreundlicher und lebenswerter zu gestalten. Wie eine Stadt ohne funktionierenden ÖPNV aussieht, kann man sich beispielsweise in Los Angeles anschauen. Die Stadt kann sich vor Autos kaum retten, da statistisch gesehen jede*r Zweite hier ein Auto besitzt und niemand zu Fuß geht.
Was würden Sie am ÖPNV verändern, wenn Sie die Möglichkeit dazu hätten?
Ich hätte gerne ein Ticketsystem mit kontaktlosem Check-in und Check-out in den Fahrzeugen. Kund*innen müssen sich dann nicht mehr im Tarifdschungel zurechtfinden – und Planer*innen bekommen eine sehr genaue Datenlage, welche Verbindungen wann genutzt werden. Das hilft bei der Entwicklung neuer Angebote ungemein.
Was brauchen wir, um die Verkehrswende zu realisieren?
Wir brauchen ein alternatives Finanzierungsmodell für den ÖPNV wie Bürgertickets oder ähnliches. Das Angebot sollte nicht von der finanziellen Lage einzelner Kommunen abhängig sein, sondern als gesamtheitliche Daseinsvorsorge verstanden werden.
Das „Bürgerticket“ kann man sich ja wie ein „Semesterticket für alle“ vorstellen. Es bedeutet, dass alle Bürger*innen einen verpflichtende Beitrag zahlen und damit eine generelle Fahrtberechtigung im ÖPNV bekommen. Das wäre eine politische Entscheidung. Was möchten Sie der Politik zum Thema Verkehrswende mitgeben?
Ein attraktiver ÖPNV ist Grundlage für eine klimaoptimierte und sozial gerechte Mobilität. Ihn auszubauen wird Geld kosten – es nicht zu tun vermutlich noch mehr.
Wie können ÖPNV-Anbieter sich in Corona-Zeiten verhalten?
Die Branche sollte selbstbewusst auftreten und die Wichtigkeit ihrer Rolle für die Mobilitätswende klar vertreten. Das Angebot des ÖPNV muss wachsen, denn er stieß bereits vor der Corona-Krise vielerorts an seine Kapazitätsgrenzen.
David Herz, vielen Dank für das Gespräch!
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